Höher, weiter, leichter

Stadttor Düsseldorf
Petzinka, Pink und Partner

Stahl- und Glasarchitektur mit größtmöglicher Transparenz dank einer Doppelfassade: Das zwanziggeschossige Stadttor ist ein energieeffizientes Bürohochhaus, dessen "Torcharacter" hinter der Einfachverglasung durch das Atrium und die Stahlkonstruktion angedeutet wird.

Von Claudia Fuchs

Ein "Großsolitär mit Wahrzeichenfunktion" war im Wettbewerb von 1991 gefordert worden. PPP, damals noch Overdieck, Petzinka und Partner firmierend, gewannen mit einem abstrakten Torbau – zwei in den Obergeschossen verbundenen Bürotürmen unter der schützenden Hülle einer Einfachverglasung. Ein Symbol war gefunden, dessen vielver-sprechender Name allerdings in die Irre führt, da das Tor hinter Glas keinen eigentlichen Durchgang bietet, sondern die Stelle bezeichnet, an der der Verkehr im Rheinufertunnel verschwindet. Die Entscheidung, ein Hochhaus auf die Tunneleinfahrt zu setzen, machte Planung und Ausführung kompliziert, die selbstgestellte Aufgabe wurde jedoch mit dem prägnanten Tragwerk und der transparenten Klimahülle überzeugend gemeistert. Die Rhombe als Grundrißfigur ergab sich aus der eingeschränkten Gründungsmöglichkeit auf der Tunneltrasse und aus der Anpassung an die Hauptwindrichtungen. Die beiden zwanzig-geschossigen Bürotürme sind seitlich gegeneinander versetzt und begrenzen einen schmalen, hohen Luft- und Lichtraum. Über dem 16. Stockwerk unterteilt eine Decke, die aus Brand-schutzgründen nötig ist, das Atrium. Sie ist gleichzeitig eine gestalterische Zäsur zu den drei Sondergeschossen der "Attika"-Stockwerke, die die Türme zum Tor verbinden. Während das eigentliche Tragwerk der Bürotürme ein relativ unauffälliger Skelettbau ist, wird das Bild eines Portals erst durch die über 70 Meter hohe Rahmenkonstruktion deutlich: Zwei drei-eckige Stahltürme und die beiden Stützenpaare der Stirnseiten sind mit Fachwerkträgern als dreigeschossige Querriegel in den obersten Stockwerken gekoppelt. Die Rahmen nehmen die horizontalen Windlasten auf und tragen die abgehängte Atriumfassade.

Das Stahltragwerk, brandsicher in Stahlverbundweise realisiert, erwies sich im Vergleich mit einer Stahlbetonkonstruktion als die wirtschaftlichere, zudem räumlich spannendere Variante. Zwischen der äußeren Glashaut und der inneren Bürofassade stehen die dreieckigen Fachwerktürme frei im Raum. Über eine Höhe von 16 Stockwerken fällt Tageslicht weit in das Gebäude. Diese räumliche Großzügigkeit vermittelt einen spektakulären Raumeindruck in einem Treppenhaus neuer Dimension – eine gewisse Schwindelfreiheit vorausgesetzt: Die Treppenläufe führen offen an den Stahtürmen vorbei und sind von der Schlucht des 55 Meter hohen Atriums nur durch eine Glaswand getrennt. Man bewegst sich durch einen lichtdurchfluteten Luftraum, entlang an Stahlrohren, dick wie Pipelines. Die Dimensionen sind so ungewöhnlich, daß Bilder von Ingenieurbauwerken oder Industriegebäuden anklingen, doch ist das Tragwerk "optisch" verfeinert und im eleganten Grauton gehalten. Hier wird die Konstruktion vorgeführt und kaum retuschiert, selbst wenn nicht alle Fachwerkstäbe in dem Maße tragen, wie sie zu tragen scheinen. Die beiden Hauptstützenpaare an den spitzen Winkeln des Gebäudes haben zwar ähnliche Lasten aufzunehmen wie ihre dreieckigen Pendants, sie sind jedoch in die Büroräume eingebunden und nur geschossweise sichtbar. Die beiden unterschiedlichen Stützenformen verleihen dem Stadttor in den Ansichten eine spannende Asymetrie.

Die Einfachverglasung setzt sich an den Außenseiten der beiden Bürotürme als Element der Doppelfassade fort. Über die Drehtüren der inneren Fassade kann jeder Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz nach Belieben lüften. Aus der Generation der Bürohochhäuser mit Doppelfassade und natürlicher Lüftung ist das Düsseldorfer Stadttor vielleicht das nutzerfreundlichste, da die Klimaanlage über die reine Funktion einer technisch aufwendigen Maschinerie hinausgeht. Sie dient als Luftpolster, Wetterschutz und Frischluftzufuhr, jedoch entsteht hier auch begehbarer ""Luft-Raum" zwischen innerer und äußerer Glasfassade. Die Architekten argwöhnen allerdings, daß der geschützte Zwischenraum zum "Raucherbalkon" werden könnte und die neuentwickelten Lüftungskästen als "Aschenbecher" mißbraucht werden.

Erdgeschoß und erstes Stockwerk sind auf Wunsch der Stadtverwaltung als öffentlicher Raum zugänglich und für Läden- und Gastronomieflächen vorgesehen. Eine frei ins Atrium eingestellte, elliptische Plattform trennt sie von den Bürogeschossen darüber. Das Atrium funktioniert wie ein Wintergarten: Die Einfachverglasung schützt vor Wind und Wetter, der hohe Raum bleibt als Pufferzone unbeheizt, im Sommer strömt erwärmte Luft über Lüftungsklappen aus. Der Aufwand für die Glashaut ist gerechtfertigt, erst die Rundumverglasung macht aus einem zugigen Hohlraum einen geschützten Aufenthaltsbereich. Auch im äußeren Erscheinungsbild bietet das Tor unter Glas reizvolle Effekte. Je nach Standort erscheint er als breitgelagerter Körper oder schmaler Glasbug, das Atrium wird zum hohen Schlitz, das Tragwerk zeichnet sich mehr oder weniger deutlich ab.

Die transparente, nicht verspiegelte Klimamembran nimmt dem Baukörper das Lastende und Monumentale. Im Kontrast von schwer und leicht, von sichtbarer Konstruktion und verhüllender Glasfassade zeigt sich die besondere Qualität des Gebäudes.

Als gläsernes Prisma wirkt das Hochhaus allerdings mehr als Turm denn als Turm, da es weder eine Einfahrt in die Stadt noch einen Durchgang bietet. Es ist vielmehr eine "point de vue" als Abschluß einer Achse, respektive der Endpunkt einer Fußgängerzone – ähnlich wie die Grande Arche de la Défense in Paris, in deren Hohlraum das Düsseldorfer Hochhaus allerdings leicht Platz fände. Abgesehen vom nicht ganz eingelösten Symbolcharakter eines "Stadttores" – das vielmehr als einprägsames Logo des Investors dient – könnte der Neubau mit seinem vielversprechenden Konzept eines technisch anspruchsvollen und energiesparenden Bürogebäudes zum Vorbild werden, wenn sich das integrierte Energiekonzept mit Doppelfassade, natürlicher Lüftung und kombinierten Kühl- und Heizdecken bewährt.

Zum Tragwerk

Ein Hochhaus auf einer Tunneleinfahrt zu gründen und der gewünschte städtebauliche Akzent eines Tores erforderten eine ungewöhnliche Konstruktion. Zwei sechszehngeschossige Türme gründen auf den äußeren beiden Tunnelröhren und werden mit einem dreigeschossigen "Attika"-Riegel zum Portal verbunden.

Von Jörg Lange

Bei der Vorbereitung von Ausschreibung und Vergabe der Rohbauleistung stellte sich heraus, daß das in Stahlbauweise geplante Tragwerk zu teuer würde. Stahl-, Beton- und Stahlverbundsysteme wurden analysiert und bewertet. Die Stahlbetonvariante scheiterte an architektonisch und finanziellen Vorgaben (Transparenz, geringe Bauhöhen). Demgegenüber zeigten sich die Vorteile der Stahlbauweise insbesondere im Abfanggeschoß zwischen den beiden Ladenebenen und den Bürogeschossen. Da die Außenstützen nicht auf dem Tunnel stehen konnten und abgefangen werden mußten, wäre bei der Betonbauweise durch die Stahlbetonscheiben ein Geschoß verloren gegangen. Die Fachwerkträger aus Stahl ermöglichen nun die Nutzung des Sondergeschosses als Archivräume, auch die Bürogeschosse können durch die lichte Struktur besser genutzt werden. Die Stahlrohre wurden mit Stahlbeton gefüllt – ein Verfahren, das bei richtiger Bemessung eine Feuerwiderstandsklasse bis zu F 180 erlaubt.

Abtragen der horizontalen Lasten

Die horizontalen Lasten nimmt ein System aus folgenden Bauteilen auf:

  • drei Fachwerkrahmen ("Portalrahmen"), die durch biegesteife Verknüpfung der dreigeschossigen Fachwerkträger in der Attika mit den circa 70 Meter hohen Fachwerktürmen entstehen. Daraus ergibt sich ein im Grundriß Z-förmiges Aussteifungssystem
  • zwei U-förmige Treppenhauskerne aus Stahlbeton, mit denen die Fachwerke gekoppelt sind, so daß diese ebenfalls horizontale Lasten aufnehmen
  • die Fachwerkträger des Abfanggeschosses

Diese Hauptbauteile erfüllen durchweg noch andere Funktionen. Die Stahlbetonkerne bilden die beiden erforderlichen Fluchttreppenhäuser, die Fachwerkträger in den Attikageschossen tragen die Lasten der Gebäudemitte und der Atriumfassade ab, die Fachwerktürme über-nehmen diese Lasten sowie die der Flächen über dem Atrium. Von den drei Portalrahmen ist nur der mittlere ein echter, auf beiden Seiten in die Tunnel eingespannter Rahmen. Die beiden äußeren Rahmen erhalten neben den Lasten aus den Attikageschossen zusätzlich die erheb-lichen Lasten aus der vorgespannten Atriumfassade. Dies hätte zu erheblichen horizontalen Auflagerkräften am Tunnel geführt. Daher wurden diese beiden Rahmen entgegen dem ur-sprünglichen Entwurf als "einhüftige Rahmen" ohne Diagonalen im rechten Stiel ausgeführt.

Abtragen der vertikalen Lasten

Die vertikalen Lasten werden in der Regel von 15 Zentimeter dicken Stahlbetondecken über eine Spannweite von 2,50 bzw. 4,60 Metern zu den Unterzügen aus Stahlverbundträgern ab-getragen, die über 7,50 bzw. 7,60 Metern spannen. Das gewählte System – mit wechselnden Deckenspannrichtungen, kurzen Kragarmen, niedrigen Trägern ohne Durch-brüchen und h&oum;heren Trägern mit Durchbrüchen – reagiert auf die Installationsführung und führt zu lichten Höhen von 2,50 und 2,98 Metern. Die Stahlrohre mit Durchmessern von 40, 55 und 91 Zentimetern sind mit Stahlbeton gefüllt. Sehr hoch beanspruchte Stützen erhalten zusätzlich ein eingestelltes Walzprofil. Vier Stützenreihen werden im vierten Obergeschoß duch geschoßhohe Fachwerkträger abgefangen, da sie nicht direkt auf der Tunneldecke gegründet werden konnten.

Konstruktiver Brandschutz

Das Tragwerk muß den hohen Anforderungen der Feuerwiderstandsklasse F 90 genügen. Die Vertikalen des Portalrahmens erhalten eine Stahlbetonfüllung, ebenso die Horizontalen und Diagonalen bis Oberkante Abfanggeschoß. Im Bereich des Portalrahmenriegels werden druckkraftbelastete Bauteile durch eine Stahlbetonfüllung, zugkraftentlastete durch Spritzputz oder Plattenverkleidung geschützt. Bei den bis zu 70 Zentimeter hohen Unterzügen wird der Raum zwischen den Flanschen mit Beton gefüllt, der nur eine oberflächennahe Netzbe-wehrung erhält. Hierdurch werden Steg und Oberflansch geschützt. Träger mit geringeren Querschnitten (beispielsweise HEA 180) werden mit Spritzputz geschützt. Der hohe Stahl-betonanteil der Querschnitte reicht aus, um die im Brandfall auftretenden Lasten auf-zunehmen.

Düsseldorf Gateway, Germany

Petzinka, Pink und Partener

This 20-story office high-rise at the southern entrance to the highway tunnel along the Rhine marks the gateway to the city´s new shoreline promenade. Ist gateway function is only abstract; the two offset towers, joined above the 17´6th floor, and the central atrium are encased in a glass skin. The "portal" effect is optically underlined by ist 70m-high glazed steel skeleton with huge steel tubes. The glass hull also functions as an outer skin on the two office towers, allowing natural ventilation from the buffer zone. The ground floor of the atrium is open to the public with shops and restaurants and ist separated from the office atrium by an elliptical platform. The atrium serves as a huge winter garden, providing a protected climate zine. Not only is the design energy-efficient; it offers a dramatic visual focal point at the end of a long axis, much like the Grande Arche de La Défense in Paris.

Bauherr:
Düsseldorfer Stadttor mbH, Engel Projekt-entwicklung- und Management GmbH

Wettbewerb, Entwurfsplanung:
Karl Heinz Petzinka in Overdieck, Petzinka und Partner, Düsseldorf

Genehmigungsplanung:
Karl Heinz Petzinka in Overdieck, Petzinka undPartner, Düsseldorf

Ausführungsplanung:
Petzinka, Pink und Partner, Düsseldorf

Projektleitung:
Ernst Joachim Müller

Mitarbeiter Ausführungsplanung:
Ralph Baumgärtel, Thomas Gaab, Karl-Martin Selz, Matthias Stamminger

Koordiantion:
Drees & Somer AG, Stuttgart

Tragwerksplanung:
Stahlbau Lavis, Aschaffenburg Nach einem Vorentwurf von Ove Arup und Partner, Düsseldorf

Standort:
Lahnweg, Düsseldorf

Erschienen in: BAUMEISTER 12/97